
Interview mit Floris Wouterson
Floris Wouterson ist Schlafexperte, Redner und Unternehmer. Sein Buch Superschlafen zeigt dir Schritt für Schritt wie du besser schlafen kannst. Weil Schlaf für die Erholung unseres Körpers so wichtig ist, haben wir Floris dazu einige Fragen gestellt.

Floris, wie ist dein Interesse für das Thema ‚Schlaf‘ entstanden?
Das hat zwei Aspekte. Erstens habe ich etwa 13 Jahre lang im Finanzsektor gearbeitet. Irgendwann wurde mir klar, dass dies nicht mein Leben war. Dadurch schlief ich schlechter und ich kam morgens nicht mehr mit Freude aus dem Bett.
Zweitens hat meine Frau in den 1990er Jahren in Deutschland an der Fachhochschule Köln studiert. Anfang 2000 eröffnete sie ein Schlafberatungszentrum in Antwerpen. Ich war indirekt daran beteiligt und seitdem bin ich mittendrin.

8 Stunden Schlaf werden im Allgemeinen als Norm angesehen. Hältst du das für einen guten Richtwert?
Es ist nicht mehr als ein Richtwert oder ein Durchschnittswert. Mit Durchschnittswerten muss man immer aufpassen. Angenommen, du bist mit mehreren Personen in einem Bus und es steigt jemand mit einem Gewicht von 150 kg ein, dann steigt das Durchschnittsgewicht der Passagiere ein wenig an. Steigt aber ein Milliardär in diesen Bus, dann steigt das Durchschnittseinkommen der Passagiere drastisch.
Das Alter spielt eine große Rolle bei der Anzahl der durchschnittlichen Schlafstunden, die ein Mensch benötigt. Ein Baby schläft im Durchschnitt 16 Stunden, ein Teenager braucht etwa 9 Stunden und ein Erwachsener braucht 7 bis 9 Stunden. Schlaf ist natürlich individuell und hier ist auch der Haken – viele Menschen geraten in Panik, wenn sie keine 8 Stunden geschlafen haben. Der psychologische Aspekt spielt hier auch eine Rolle. Wie dem auch sei, so kann man 7 bis 9 Stunden als Richtwert für einen guten Schlaf nehmen.

Die Ernährung spielt eine Rolle für unseren Schlafrhythmus. Welche Lebensmittel sollten wir vermeiden?
Ein gesunder Darm ist noch wichtiger als die Ernährung. Die Ernährung hat natürlich einen großen Einfluss auf die Gesundheit unseres Darms. In Kapitel 6 meines Buches gehe ich auf die sogenannte „brain-gut connection“ ein, also die Beziehung zwischen dem Darm und dem Gehirn. Was viele Menschen nicht wissen, ist, dass 80% der wichtigsten Hormone für einen guten Schlaf im Darm produziert werden. Diese Hormone sind Serotonin, Melatonin und zum Beispiel auch GABA, ein Neurotransmitter.
In dem Moment, in dem du keine gesunde Darmflora hast, ist auch deine biologische Uhr gestört. Dabei spielt die Ernährung eine wichtige Rolle, aber auch Stress sorgt für ein Ungleichgewicht im Darm. Was die Ernährung angeht, solltest du am besten schnelle Kohlehydrate und Zucker vermeiden, da sie den Blutzuckerspiegel durcheinanderbringen. Das sorgt für zu viel Cortisol in deinem Blut.
Das Hormon Cortisol bewirkt unter anderem, dass man morgens aufstehen kann, aber wenn der Cortisol-Spiegel am Ende des Tages zu hoch ist, bekämpft es das Melatonin – das Hormon, was unseren Schlaf auslöst. Zu viel Cortisol im Blut unterdrückt die Produktion von Melatonin. Komplexe oder langsame Kohlenhydrate sind die bessere Wahl.

Regelmäßige Bewegung hilft dabei, besser zu schlafen. Wie erklärst du den Zusammenhang zwischen Bewegung und Schlaf?
Es gibt mehrere Bereiche, in denen sich guter Schlaf abspielt:
Zunächst einmal ist da der Schlafdruck. Den Schlafdruck baust du im Laufe des Tages auf. Dein Schlafdruck muss morgens niedrig und abends hoch sein. Deinen Schlafdruck baust du zum einen durch Wachsein und zum anderen durch Bewegung auf. Wenn du den ganzen Tag auf der Couch abhängst, hast du wenig Schlafdruck aufgebaut und wirst Probleme beim Schlafen haben.
Zweitens gibt es den Biorhythmus oder zirkadianen Rhythmus, die sogenannte “Master-Uhr”. Unser Körper ist voll mit Uhren – deine Leber hat eine Uhr, dein Darm hat eine Uhr – und sie alle werden von einer Gruppe von Neuronen im Gehirn gesteuert. Mit anderen Worten musst du dafür sorgen, im Einklang mit deinem Biorhythmus zu leben.
Dein Körper braucht pro Stunde Zeitverschiebung einen halben Tag, um sich neu zu regeln. Wenn du beispielsweise nach New York reist, wo der Zeitunterschied 5 Stunden beträgt, braucht dein Körper zweieinhalb Tage zur Erholung. Man denke nur an die Sommer- und Winterzeit, die gar nicht so harmlos sind, wie wir immer denken. Viele Menschen nutzen oft künstliches Licht und Bildschirme, so dass wir in einem permanenten Mini-Jetlag leben.

Powernaps lösen gemischte Reaktionen aus. Können sie nützlich sein?
Vor ungefähr 1,8 Millionen Jahren sind die Menschen von den Bäumen auf den Boden gegangen, um dort zu schlafen. Wir wissen immer noch nicht, warum. Bei einigen Stämmen in Ost-Afrika, zum Beispiel den San in Namibia, hat man untersucht, wie deren Schlafrhythmus funktioniert. Dabei zeigte sich, dass es sich nicht um monophasische Schläfer, sondern um biphasische Schläfer handelt.
In den Wintermonaten schlafen die San etwa 8 Stunden ohne Unterbrechung und tagsüber machen sie einen Mittagsschlaf von ungefähr 15 bis 20 Minuten. Im Sommer schlafen sie nachts weniger, eher 7 Stunden. Tagsüber machen sie noch einen Powernap. Ältere Stämme, die wenig Einfluss von der westlichen Gesellschaft haben, schlafen immer noch biphasisch.
Wir stopfen uns mit Kaffee und Energiedrinks voll, um tagsüber unsere Schläfrigkeit zu bekämpfen, aber dadurch verringern wir kategorisch unseren Schlafdruck. Also die Signale, dass unser Körper Ruhe braucht und man am besten eine Pause machen sollte. Das sorgt dafür, dass man Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen bekommt. Durch einen Powernap wirst du kognitiv viel besser funktionieren. Es trägt zur Entspannung der Muskeln bei, verringert die Übersäuerung und verbessert die Sauerstoffversorgung des Blutes. Ein Powernap hat nur Vorteile für die Gesundheit.
Wenn du unter Schlafproblemen leidest, sind Powernaps in der Regel nicht zu empfehlen. Sie beeinflussen den Schlafdruck und das kann für Menschen mit Schlafproblemen kontraproduktiv sein.

Viele Menschen schlafen in der Sommerzeit schlechter. Hast du einen Tipp, der dabei helfen kann?
Dieses Puppentheater ist leider nicht abgeschafft. Vor kurzem sollte eine endgültige Entscheidung über die Sommer- und Winterzeit getroffen werden, aber das Thema ist leider von dem Terminkalender der europäischen Politik verschwunden. Für mich macht es keinen Unterschied. Die Winterzeit entspricht allerdings eher unserem natürlichen Rhythmus. Die Sommerzeit wurde damals eingeführt, um Energie zu sparen, aber im Nachhinein erweist sich diese Ersparnis als sehr gering.
Bei der Zeitumstellung kannst du dafür vier Tage früher (Winterzeit) oder später (Sommerzeit) ins Bett gehen. Nach dem vierten Tag hat sich dein Biorhythmus schrittweise an die neue Zeit angepasst.

Viele behaupten, dass die Stunden vor Mitternacht doppelt zählen. Stimmt das?
Die Antwort ist in der Tat ja. Es sind jedoch nicht nur die Stunden vor 12, es sind eigentlich die ersten 4 Stunden der Nacht, die unglaublich wichtig sind. Unser Biorhythmus wird durch Mutter Natur bestimmt. In der Regel können wir Menschen 15 bis 16 Stunden aktiv sein und den Rest der Zeit schlafen wir.
Wenn wir wie die Feuersteins leben – nach dem Rhythmus der Sonne und des Mondes – dann wird das meiste Melatonin abends zwischen 8 und 9 ausgeschüttet. Zu diesem Zeitpunkt werden die meisten Menschen schläfrig und die Auffassungsgabe verringert sich. Eigentlich sollten wir uns jetzt dem Schlaf hingeben und ins Bett kriechen. Mit künstlichem Licht können wir jedoch noch ein oder zwei Stunden weitermachen.
Zwischen ungefähr 10 Uhr abends und 2 Uhr nachts findet der Kernschlaf statt. Der Kernschlaf betrifft den ersten Teil der Nacht, in dem zwei wichtige Hormone produziert werden, nämlich Melatonin und das menschliche Wachstumshormon. Wenn man von diesen vier Stunden eine Stunde wegnimmt, hat man auch eine Stunde weniger, in der der Körper diese Hormone produziert.

Glaubst du, dass ein Schlafritual zu einem besseren Schlaf verhelfen kann?
Absolut, unser Gehirn liebt die Regelmäßigkeit. Je mehr Regelmäßigkeit das Gehirn hat – schau mal zu kleinen Kindern, sie schlafen zu Hause am besten – desto besser. Wir Erwachsenen denken, wir brauchen keine Routine, aber wir brauchen sie genauso sehr wie kleine Kinder.
Es geht nicht um die Anzahl der Routinen, sondern darum, Routinen zu haben. Also zum Beispiel eine angenehme Morgen- und Abendroutine. Eine Routine für das Aufstehen, eine Routine für das Schlafengehen und so weiter. Du brauchst zum Beispiel auch eine Routine, um von der Arbeit loszulassen, um einen guten Abschluss des Tages zu haben. Du checkst zum Beispiel um 17:00 Uhr zum letzten Mal deine Mailbox und schaust von da an nicht mehr auf dein Telefon oder Laptop. Fertig! Und damit weist du dein Gehirn an, dass es Zeit ist, dich zu entspannen. Wenn du immer „eingeschaltet“ bist, wirst du nicht gut schlafen können.